szenische Arbeiten

Das Rollenspiel und das Skulpting, die Aufstellungsarbeit und das Spotting haben trotz einiger Unterschiede auch vieles gemeinsam: Sie alle holen eine innere oder äussere Erfahrung, die aus der Vergangenheit kommen, aber ebenso gut etwas Aktuelles oder Zukünftiges betreffen kann, in einen zeitlich, räumlich und inhaltlich verdichteten Raum. Wie Scheinwerfer, die eine be- stimmte Stelle ausleuchten, machen sie Erfahrungen bzw. Erfahrungsaus- schnitte besonders sicht- und erlebbar. Sie erlauben, innerhalb eines abge- steckten Rahmens, eine scheinbare Mitgestaltung der äusseren Welt: Im Rollenspiel kann man mutig sein (während man es in der Alltagswelt vielleicht oft nicht ist), im Skulpting kann ich aus der gebückten Statue eine aufrechte machen, in der Aufstellung kann ich jedem einen guten Platz gönnen und im Spotting lösen sich Widersprüche in einem grösseren Kontext friedlich auf. Diese Mitgestaltung ist deshalb aber nur scheinbar, weil szenische Arbeit keine Zauberformel ist, mit der eine Umwelt oder gar andere Menschen verwandelt werden können. Szenische Arbeiten haben nicht die Kraft, die äussere Wirk- lichkeit zu verändern, aber – und das ist der springende Punkt – sie können auf verschiedene Art das innere Erleben, die innere Wirklichkeit der Protagonisten verändern.

 

Das Rollenspiel
Das Rollenspiel umfasst kleine bis hin zu grösseren gespielten Szenen. Sie können als eine Art Stegreiftheater eingesetzt werden oder einen längeren Prozess mit Drehbucharbeit und Proben begleiten. Im Rollenspiel werden die Mitwirkenden zu Schauspielerinnen, die einer bestimmten „Rolle“ mit Körper, Sprache und Interaktion Ausdruck verleihen. Im Rollenspiel können Szenen aus der Vergangenheit wiederholt oder auch Szenen für die Zukunft entworfen werden.

 

Das Skulpting
Im Skulpting werden Beziehungen, Gefühle, Ränge, innere Befindlichkeiten, Kommunikationsmuster von Menschen dargestellt. In dieser Technik sind die Mitwirkenden nicht Schauspieler (mit eigenem Leben), sondern dienen – ähnlich wie der Stein dem Bildhauer – als Grundmaterial, aus dem eine be- stimmte Körperhaltung, ein Ausdruck, der Abstand zwischen den einzelnen etc. entwickelt wird. So bietet das Skulpting auf dreidimensionale und analoge Art einen reichhaltigen Spiegel des Erlebens eines oder mehrerer Menschen und kann Feedbackprozesse auf besondere Weise unterstützen.

 

Die Aufstellungsarbeit
Bei der Aufstellungsarbeit werden Fragestellung, Beziehungen oder Struk- turen durch Positionierung im Raum sichtbar gemacht. Während im Rollen- spiel das Ausprobieren und Übernehmen von Rollen geschieht und im Skulp- ting Gefühle und Situationen durch die Körperhaltung der Statisten differen- ziert werden, geht es in der Aufstellung um den Platz der Einzelnen in einem Gesamtsystem, man könnte auch sagen, um das dem System innewohnende Grundmuster. Der Bogen der Aufstellungsarbeit reicht von einfachen Aufstel- lungen, die auf schnelle Art viele Informationen in ein System einspeisen (z.B. alle, die von Österreich kommen, hierhin, die von Deutschland Kommenden dorthin etc.), bis hin zu komplexen Familien- oder Organisationsaufstellung, die als Ausgangspunkt für die Suche nach einem Lösungsbild dienen.

 

Das Spotting
Beim Spotting werden zwei einander ausschliessende oder widersprüchliche Parteien an verschiedenen Punkten (Spots) im Raum aufgestellt. In einer ersten Phase können die beiden Pole auch unter Mithilfe anderer Gruppen- mitglieder ihrer Position Ausdruck verleihen und damit die Polarisierung ver- stärken. Wenn der Unterschiedlichkeit der Positionen genug Raum gegeben ist, kann die Position gewechselt, das heisst in die andere Seite eingetaucht werden. Der prozesshafte Wechsel zwischen der einen und der anderen Position provoziert häufig einen Haltungswandel, der zu integrativen Lösungen führt. Das Spotting eröffnet also einen intensiven und facettenreichen Aus- druck eines Gefühls bzw. einer Haltung. So füllt sich der Raum mit dem, was sonst nur im Inneren (und dort nur zensuriert) gedacht und gefühlt werden darf und ermöglicht ein Eintauchen, aber auch ein Heraustreten aus diesem Raum (diesem Gefühl, dieser Haltung) Aufgrund dieser Grundbewegung der völligen Daseinserlaubnis und des Perspektivenwechsels eignet sich das Spotting be- sonders für innerseelische Konflikte, aber auch für solche mit anderen Men- schen bzw. Parteien.

Aus diesen vier Arten ergibt sich in der Praxis oft eine fünfte, die man als freie szenische Arbeit bezeichnen könnte. In ihr fliessen Elemente von zweien oder gar mehreren Spielarten zusammen. Aufstellungen können sehr gut mit Skulptingteilen ergänzt werden, ein Spotting kann sich in ein freies Rollenspiel verwandeln. Zahlreiche Mischungen sind möglich und denkbar, wenn es die Fragestellung, die Ausgangslage und die Art der Gruppe verlangt.